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Fürsprache

Unterstehend finden Sie befürwortende Stimmen aus der Eimsbütteler, Hamburger und internationalen Zivilgesellschaft, die sich im Zuge der Aktivitäten der Umbenennungsinitiative geäußert haben – sowie befürwortende Redebeiträge von David Rubinstein (Jüdische Gemeinde Hamburg) und Prof. Dr. Jürgen Oßenbrügge (Wirtschaftsgeograph, Universität Hamburg) bei der Ausstellungseröffnung „Kriegsverrat ist Friedenstat“ über den Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann.

 


Prof. Dr. Jürgen Oßenbrügge (i.R.)
Ehemaliger Gesch. Direktor des Instituts für Geographie und Sprecher des Fachbereichs Geowissenschaften der Universität Hamburg

„Als langjähriges Mitglied der Universität Hamburg und Stadtforscher, der seinen Arbeitsplatz im Geomatikum hat und daher nahezu arbeitstäglich die Sedanstrasse passierte, ist es mir ein großes Anliegen, die Initiative „Sedanstraße Umbenennen“ zu unterstützen und den Bezirk Eimsbüttel zu bitten, den Vorschlag aufzugreifen, bei einer veränderten Namensgebung einen viel beachteten Widerstandskämpfer gegen die Naziherrschaft zu würdigen.

Die naturwissenschaftlichen Standorte der Universität Hamburg befinden sich im Kreuzungsbereich Bundestrasse und Sedanstrasse auf Erinnerungsorte, die mit dem preußischen Militarismus und dem deutschen Faschismus verbunden sind. Kolleginnen und Kollegen der Universität haben sich in der jüngeren Vergangenheit bemüht, naturwissenschaftliche Perspektiven in die Friedensforschung einzuführen und unsere Ausbildung in kritischer Auseinandersetzung mit unserer Geschichte in Hinblick auf Nachhaltigkeitsziele und Bedingungen friedlichen Zusammenlebens zu fördern. Dabei war uns die Sedanstrasse als verräumlichte Erinnerungskultur immer bewusst. Eine Benennung der Straße nach Ludwig Baumann würde diesen Prozess fördern und die Intention dieser Arbeit verstetigen.“

 


Erklärung von Lehrenden am Standort Sedanstraße 19 der Universität Hamburg zur Umbenennung der Sedanstraße in Ludwig-Baumann-Straße
Stand: 03.04.24

„Mit dem Namen Sedanstraße ist die Schlacht um Sedan 1870 gegen Frankreich untrennbar verbunden. Den Grauen des Krieges, der an den ‚Sedantagen‘ im Kaiserreich gefeiert wurde, stellt die Initiative mit ihrem Vorschlag einer Umbenennung nach Ludwig Baumann einen Menschen gegenüber, der sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzte. Als Lehrende, die in der Sedanstraße arbeiten, begrüßen und unterstützen wir die Umbenennung ausdrücklich. Wissenschaft in gesellschaftlicher Verantwortung, der wir uns verpflichtet sehen, bedeutet gemäß des Leitbildes der Universität, zur Entwicklung einer humanen, demokratischen und gerechten Gesellschaft beizutragen. Dazu gehört in Forschung und Lehre für Weltoffenheit und Toleranz, internationale Zusammenarbeit und Völkerverständigung einzustehen und Bildungsprozesse für eine sozial und ökologisch nachhaltige, demokratische und friedliche Gestaltung der Welt zu fördern. Dafür ist Ludwig Baumann mit seinem persönlichen Engagement und dem Wirken für Frieden auch gegen Widrigkeiten ein besonderes Vorbild.“

(Mehr finden Sie hier.)


Gemeinsame Erklärung der Fachschaftsräte Erziehungswissenschaft, Sonderpädagogik und Lehramt sowie der Gruppe kritische Lehramtsaktive der Universität Hamburg

„Inhalt, Hintergrund und Funktion der Benennung der „Sedanstraße“, in der die erziehungswissenschaftlichen Teilbereiche Pädagogik bei Behinderung und Benachteiligung sowie Berufliche Bildung und Lebenslanges Lernen Anlieger sind, stehen im krassen Widerspruch zu humanen Zwecken der Wissenschaft. Der mystische Kult im Kaiserreich rund um die glorifizierte „Schlacht von Sedan“ beinhaltet Kriegsverherrlichung und -mobilisierung nicht zuletzt in Schulen, expansive Machtansprüche, herabsetzende Feindbilder und nationalistische Ideologiebildung sowie die Abwehr fortschrittlich internationalistischer Entwicklungsansprüche.

Eine Neubenennung dieses öffentlichen Raums ist überfällig!

Die Persönlichkeit Ludwig Baumann halten wir für in herausragender Weise geeignet, mit seinem Namen sinngebend für diesen Lernort zu sein. […] Durch seinen Humanismus – die Bejahung des Lebens und der Befürwortung des Wertes jedes Einzelnen – hat Ludwig Baumann das wertvolle Kontra zu jeder Art falschen Heroismus zur Geltung gebracht.“

(Der vollständige Beitrag ist hier nachzulesen.)


Wolfgang Kopitzsch
Historiker, ehemaliger Polizeipräsident in Hamburg, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten (AvS).

„Zu den unvergesslichen Erinnerungen meiner Jugend gehören auch drei Staatsbesuche, 1962 Charles de Gaulle, 1963 John F. Kennedy und 1965 Queen Elisabeth II. De Gaulle und die Queen habe ich aus nächster Nähe in Hamburg gesehen. Bei Charles de Gaulle, der kurz vorher mit seiner Frau einem Attentat nur knapp entgangen war, galten ganz besondere Sicherungsmaßnahmen, auch in Hamburg. Ein weitsichtiger Senat hätte damals vielleicht schon mal über die Sedanstraße nachdenken können und sollen, gerade vor dem Hintergrund der deutsch-französischen Freundschaft. „Sedan“ und die damit verbundenen „Feiern“ waren immer geprägt von deutscher Arroganz, Überheblichkeit und einem ausufernden Nationalismus nach dem Motto „Am deutschen Wesen…“. In der Weimarer Republik verboten einige Länder, auch Hamburg, entsprechende Feiern, wo war diese Weitsicht und Konsequenz nach 1945? Kriege, Feldherren, Schlachten, „Helden“ waren und sind schlechte „Vorbilder“ in einer Erinnerungskultur des vereinigten Europas. Wir brauchen wirkliche Vorbilder, gerade für junge Menschen und gerade in der heutigen Zeit!“


Günter Knebel
Schriftführer der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz
„Die Mitglieder unserer Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz hat es sehr gefreut, dass sich in Hamburg eine Initiative seit längerer Zeit mit viel Engagement dafür einsetzt, eine Straße nach Ludwig Baumann zu benennen. Dass damit zugleich die Sedanstraße umbenannt, von einem damit verbundenen nationalistisch-militaristischen Makel befreit würde, wäre nicht nur eine historische Entlastung, sondern auch ein Hoffnungsschimmer. Sie wäre eine Demonstration für eine lebensfreundliche, zivile Zukunftsperspektive für die Straße und ihr universitäres Umfeld.
Der Bürgermeister von Sedan, Didier Herbillon, hat den zivilgesellschaftlichen Vorstoß als ‚hervorragende Initiative‘ gelobt, als ein ‚wahrnehmbar konkretes Zeichen‘ für Völkerverständigung und Entspannung. Für die Jüdische Gemeinde Hamburgs, die sich eingehend mit dem Vorschlag zur Umbenennung in ihrer Nachbarschaft aus-
einandergesetzt hat, erklärte David Rubinstein am 19. April 2023 auf dem Bornplatz, den Namen Sedan durch den Wehrmachtdeserteur und Friedensaktivisten Ludwig Baumann zu ersetzen, sei ein willkommenes ‚starkes Signal für ein Nie Wieder!‘
Zwei aus unserer Warte historisch bemerkenswerte Voten, die (kommunal-)politisches Gehör verdienen. Plädieren sie doch klar, reflektiert und im besten Sinne demonstrativ für eine kulturpolitische Weiterentwicklung im Stadtraum Hamburgs, der Geburtsstadt Wolfgang Borcherts.“

(Der vollständige Beitrag ist hier nachzulesen.)


Ulrich Hentschel
Pastor im Ruhestand an der St. Johanniskirche in Altona und ehemaliger Studienleiter für Erinnerungskultur an der Evangelischen Akademie der Nordkirche

 

„Dass in Hamburg immer noch eine Straße Sedanstraße heißt, ist ein Anachronismus. Schlimmer noch: Es ist unerträglich. Deshalb mein Vorschlag: Nehmt die Straßenschilder ab und zeigt sie in einem Dokumentations- und Erinnerungsort, der aufklärt über all das Töten und Sterben in den drei Frankreich-Kriegszügen und über die Kasernen in der dann ehemaligen Sedanstraße, in denen das kriegerische Massenmorden trainiert wurde.Ehrt stattdessen einen Soldaten, der auch in Frankreich eingesetzt wurde, sich dann aber dem Töten und getötet werden entzog und desertierte.  Ludwig Baumann überlebte und wurde später zum Antimilitaristen und Vorkämpfer für die Rehabilitierung der Wehrmachtsdeserteure.“(Mehr finden Sie hier.)

Für das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
– Dr. Lothar Zieske

„Zu seiner Zeit als Besatzungssoldat in Frankreich (Bordeaux) schreibt er, er habe im Hafen auch mit Franzosen zusammengearbeitet, ‚mit denen wir uns gut verstanden‘. Als er dort Zeuge von Geiselerschießungen wird, habe er – so schreibt er – ‚den Krieg und den Faschismus gehasst.‘

Er hat vor Schulklassen über die Verbrechen der NS-Herrschaft aufgeklärt und dabei seinen Blick weit über sein Einzelschicksal hinaus gerichtet. In seinem Wirken ist er vergleichbar der langjährigen Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees, Esther Bejarano, die in gleichem Alter, drei Jahre nach ihm, verstorben ist.  So ist es nicht verwunderlich, dass Esther Bejarano ihre Rede in Unterlüß am 07.09.2019 (im Rahmen der Kampagne „Rheinmetall entwaffnen“) postum Ludwig Baumann widmete, indem sie als Motto seinen Satz wählte: ‚Es gibt nichts Besseres, als den Krieg zu verraten.‘ […]
Zusammengefasst: Zwischen den Zielen des Auschwitz-Komitees und dem Wirken Ludwig Baumanns gibt es so bedeutende Überschneidungen, dass das Komitee die Umbenennung der Sedanstraße zu Ludwig Baumann-Straße lebhaft befürwortet.“

(Das ganze Statement ist hier nachzulesen.)


Prof. Dr. Detlef Garbe
Wiss. Beirat der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz,
ehem. Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte

„Ludwig Baumann hat dabei nicht nur für die Interessen der Hinterbliebenen und der wenigen Überlebenden gestritten, sondern sich um die politische Kultur in der Bundesrepublik Deutschland sehr verdient gemacht. Seinem unermüdlichen Einsatz ist wesentlich der historische Beschluss vom 14.05.1997 zu verdanken, als der Deutsche Bundestag bekundete: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen […].

„Ein Straßenname, der bis heute an den deutschen Nationalismus und der von diesem jahr­zehntelang kultivierten „Erbfeindschaft“ zu Frankreich erinnert, passt nicht mehr in die heutige Zeit. Wenn er ersetzt wird durch einen Namen, der darauf verweist, dass es auch in der Zeit des Nationalsozialismus Menschen gab, die sich einem solchen Denken widersetzten, dann würde dies ein Symbol für einen Wandel dokumentieren, der dem heutigen engen und freundschaftlichen Miteinander von Menschen aus Frankreich und Deutschland entspricht. Und den Anliegern, insbesondere der Universität Hamburg, bliebe ein Name erspart, der alten Ungeist in sich trägt.“
(Das ganze Statement ist hier nachzulesen.)


Didier Herbillon, Maire de Sedan
Bürgermeister von Sedan, den 05. Juli 2022

„Meiner Einschätzung nach handelt es sich hier um eine hervorragende Initiative und sie (ist) das wahrnehmbar konkrete Zeichen dafür, dass die seinerzeit ausgetragenen Konflikte (1870, 1914-1918, 1939-1945), die unserer beiden Nationen entzweit haben, heute nicht mehr Anlass von Spannungen zwischen unseren Völkern sind. […] Also ja, ich freue mich sehr über Ihr Anliegen, den Namen Sedan durch den eines streitbaren Pazifisten (Ludwig Baumann) zu ersetzen. Verändern heißt nicht vergessen, denn, das wissen Sie ebenso wie ich, der Krieg von 1870, der uns entzweit hat, wird für immer als Teil des Gründungsaktes der deutschen Nation bleiben; aber es ist für uns alle von Vorteil, darin einen Moment unserer gemeinsamen Geschichte zu sehen, sei er unheilvoll oder ein Gründungsakt, je nach Standpunkt der Zeitgenossen.“

(Das ganze Statement ist hier nachzulesen.)