Ludwig-Baumann-Fest
Samstag, 7. September 2024, ab 14 Uhr,
am Desterteursdenkmal
Am 25. April 2024 haben wir die Abstimmung über die Ludwig-Baumann-Straße in der Eimsbütteler Bezirksversammlung sehr knapp – um zwei Stimmen – verloren. Gegen die Antragssteller aus Grünen und Linken stimmten CDU, FDP, AfD und SPD. Damit ist für uns die Arbeit nicht beendet: Im Gegenteil war die kontroverse Debatte in der Bezirksversammlung eine Einladung zur weiteren Vertiefung und Fortsetzung der Umbenennungsaktivitäten.
Bericht aus der Bezirksversammlung
Von konservativer Seite wurde als Argument für die Beibehaltung des Namens „Sedanstraße“ versucht, die mit „Sedan“ verbundene deutsche Reichsgründung im Jahr 1871 als Fortschritt zu deuten. Diese Erzählung unterscheidet sich beeindruckend wenig von den alten Versuchen, durch die Reichsgründung „auf Eisen und Blut“ den Anlauf zu einer demokratischen Einigung der deutschen Kleinstaaten in der Revolution 1848 zu überschreiben. Dass diese Reichseinigung von oben im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 mit über 400.000 Gefallenen und Verwundeten, der Annexion von Elsass-Lothringen durch das Deutsche Reich und einer massiven Einflusserweiterung Preußens einherging, wurde verschwiegen. Mit dieser Auslegung der widerspruchsvollen deutschen Geschichte trat der im Zentrum der Umbenennungsdebatte stehende Konflikt offen zu Tage.
Gegen die rückwärtsgewandte Geschichtsdeutung konnten die Antragssteller:innen ihre ernsthaften Ansprüche geschichtsbewusster positiver Kulturbildung durch die Umbenennung nach Ludwig Baumann entfalten. Die Darlegungen der Vorbildrolle Ludwig Baumanns als Deserteur aus der Wehrmacht und lebenslanger Friedensaktivist im Verhältnis zum schlechten Vorbild des Sedankults verdeutlichten, dass zur Debatte steht, was und nicht ob aus der Geschichte gelernt wird. Persönlich vertretener Pazifismus gegen die Gewöhnung an Militarisierung steht überzeitlich für die Perspektive einer zivilen Entwicklung zum Wohle aller Menschen ein. Heute, in Zeiten von lautstarken Rufen nach „Kriegstüchtigkeit“ im Widerspruch zur Friedensverpflichtung unseres Grundgesetzes, ist er umso aktueller. Stützen konnten die Antragssteller:innen sich auf unsere Übergabe von 339 Unterschriften – darunter einige aus der Sedanstraße.
Irritiert waren wir über die zwischen den Polen der Debatte konturlosen Beiträge der Sozialdemokratie, die weder zum Vergessenmachen der Verheerungen des preußisch-deutschen Militarismus noch zur Persönlichkeit Ludwig Baumann Stellung bezogen und in Formalitäten verhaftet blieben.
Ausblick
Die äußerst knappe Abstimmung in der Bezirksversammlung hat unsere Überzeugung nicht getrübt, dass das lebenslange Eintreten des Wehrmachtsdeserteurs Ludwig Baumann für das Recht auf „Kriegsverrat“ genau die richtige Antwort auf den Sedankult und die damit verbundene Kriegsverherrlichung und -legitimierung ist. Wir werden uns deshalb weiter dafür einsetzen, dass Ludwig Baumann anstelle der siegreichen Schlacht bei Sedan in der Benennung der Straße an der ehemaligen Militärkaserne in Eimsbüttel gewürdigt wird.
Diejenigen, die mit dem Vorwurf des Weißwaschens der Geschichte verunsichert oder durch die Falschmeldung über hohe persönliche Kosten eingeschüchtert wurden, wollen wir überzeugen, mit uns gemeinsam für die Umbenennung und die damit verbundene Perspektive auf Frieden und Völkerverständigung zu arbeiten. Wer sich an der weiteren Arbeit der Umbenennungs-Initiative beteiligen will, ist herzlich dazu eingeladen.
Nächste Termine
Schwerpunktmäßig um den Antikriegstag am 1. September – dem 85. Jahrestag des Zweiten Weltkrieges, den Ludwig Baumann verweigerte – fordern wir alle dazu heraus, sich mit dem Erbe dieses bedeutenden Deserteurs und Friedenskämpfers auseinanderzusetzen. Am 31. August sind wir mit einem Info-Tisch für Austausch und Diskussion beim Methfessel-Fest auf dem Else-Rauch-Platz zu finden. Am 4. September um 19 Uhr wird der Film über Ludwig Baumann „Die Liebe zum Leben“ (Annette Ortlieb, 2023) im Metropolis-Kino gezeigt. Am 8. September beteiligen wir uns am Aufruf zu „Meuterei, Kriegsverrat und Fahnenflucht“ des Ludwig-Baumann-Festes vor dem Kriegsklotz am Dammtorbahnhof.
An diesem Mittwoch, den 15. Mai, ist gleichzeitig der internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung und der 91. Jahrestag der Bücherverbrennung durch Hamburger NS-Studierendenorganisationen und Burschenschaftler im Jahr 1933. Wir werden mit Beiträgen aus dem antifaschistischen Erbe in der Gedenklesung am Platz der Bücherverbrennung (Kaiser-Friedrich-Ufer/Ecke Heymannstraße) Akzenten für eine Friedenskultur setzen und laden Euch und Sie ein, es uns gleichzutun.
Das 1936 zur Stimmungsmache für einen neuen Krieg errichtete Krieger-Ehrenmal am Dammtorbahnhof würdigt das Infanterie-Regiment „Hamburg“ Nr. 76. Dieses Regiment war am deutsch-französischen Krieg sowie am Ersten Weltkrieg beteiligt, in seine Tradition trat später das Infanterie-Regiment 76 der Wehrmacht. Es war ab 1871 im Kasernenkomplex Bundesstraße untergebracht, von dem heute nur noch die Kleiderkammer in der Sedanstraße erhalten ist. Hinter dem Krieger-Ehrenmal ist das 2015 eingeweihte erste Deserteurdenkmal Hamburgs zu sehen. Es erinnert an Deserteure der Wehrmacht und andere Opfer der NS-Militärjustiz. Ludwig Baumann war neben vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren maßgeblich an der Einrichtung dieses Gedenkortes beteiligt. Im Vordergrund zu lesen ist das späte Bekenntnis des deutschen Bundestages aus dem Jahr 1997: „Der Zweite Weltkrieg war ein Angriffs- und Vernichtungskrieg, ein vom nationalsozialistischen Deutschland verschuldetes Verbrechen.“ Dieses Bekenntnis war Ergebnis jahrelangen Wirkens der Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, die Ludwig Baumann 1990 ins Leben gerufen hatte. Es war der erste Schritt auf staatlicher Ebene für die Aufhebung der Urteile von NS-Richtern gegen die Deserteure, „Wehrkraftzersetzer“ und „Kriegsverräter“ aus der deutschen Wehrmacht, die in der Bundesrepublik Deutschland bis 2002 bzw. 2009 noch immer als vorbestraft galten.