Als Zeichen für Frieden und Völkerverständigung: Sedanstraße umbenennen!
Ende 2020 haben sich anlässlich des 99. Geburtstages des vor wenigen Jahren verstorbenen Wehrmachtsdeserteurs und Friedensaktivisten Ludwig Baumann Aktive aus Friedensinitiativen, Fachschaftsräten der Universi tät Hamburg und Wissenschaftler:innen zur Initiative Sedanstraße umbenennen zusammengetan. Die Machtpolitik, für die das Sedan-Gedenken steht, wurde nach dem Ende der Kaiserzeit und der beiden von deutschem Boden aus begonnenen Weltkriege zunehmend zu Gunsten internationaler Kooperation überwunden: durch die mit der Befreiung im Mai 1945 einher gehende Grundsteinlegung für eine neue demokratische Kultur in Deutschland; durch die Gründung der Vereinten Nationen wenige Monate darauf (denen beide deutsche Staaten 1973 beitraten); sowie durch die Aktivitäten kulturellen Austauschs der deutschen und französischen Zivilgesellschaft (ab 1963 gestützt durch den ÉlyséeVertrag und das Deutsch Französische Jugendwerk). Wir sehen in dem wenige Straßen entfernt aufgewachsenen Ludwig Baumann und seinem engagierten, mutigen Eintreten für den Frieden einen würdigeren Namensgeber für die Aneignung lokaler Geschichte.
Wer sich an der Umbenennung beteiligen möchte, ist herzlich eingeladen, die Petition zu unterzeichnen, sie weiterzuverbreiten und mit uns gemeinsam aktiv zu werden.
Kriegsverrat ist Friedenstat!
Die Videodokumentation der Ausstellungseröffnung über den Wehrmachtsdeserteur Ludwig Baumann finden Sie zum Nachschauen auf YouTube [hier klicken].
Die Eimsbütteler Sedanstraße erhielt ihren jetzigen Namen zum Jahreswechsel 1899/1900 in Erinnerung an die siegreiche Schlacht der preußisch-deutschen Truppen bei Sedan gegen das Heer des französischen Kaisers Napoléon III. am 1. und 2. September 1870. Mit diesem Sieg über den Gegner Frankreich verband sich der Gründungsmythos des deutschen Kaiserreichs – außenpolitisch als politische Großmacht in Europa, innenpolitisch als Schlusspunkt unter einem jahrelangen Einigungsprozess der deutschen Bundesstaaten unter Führung Preußens. Der „Sedantag“ am 2. September wurde reichsweit als Gedenktag mit Militärparaden und Kaiser-Ehrungen begangen.
Das deutsche Kaiserreich war ein autoritärer Obrigkeitsstaat unter der Leitung des Deutschen Kaisers. Trotz des auf gesamtstaatlicher Ebene vergleichsweise liberalen Wahlrechts für deutsche männliche Staatsangehörige blieb das deutsche Kaiserreich unter der Führung Preußens ein autoritärer, von den Eliten des Adels, Militärs, der Industrie und des Bürgertums regierter Staat mit einer Vormachtstellung Preußens. Seine antidemokratische Stoßrichtung wandte sich gegen das Erbe der Revolution von 1848/49 und die Forderung von Bürgertum und Arbeiterschaft, mit dem Prozess der nationalen Einigung zugleich soziale Rechte zu gewährleisten und die Demokratie in Deutschland zu etablieren. „Sedan“ hingegen wurde als preußisch-militaristischer Gründungsmythos Bezugspunkt für konservative und deutschnationale Politik über das Kaiserreich (1871-1918) bis in die Weimarer Republik (1919-1933). Der Sedankult als Ausdruck des preußisch-deutschen Militarismus war eines der Elemente zur Vorbereitung der faschistischen Diktatur des Dritten Reiches, bereitete damit den verbrecherischen Vernichtungskrieg der Wehrmacht vor und wirkt bis in die Gegenwart nach.
Zur deutschen Geschichte gehören jedoch ebenso die Menschen, die in vielen Formen, Organisationen und Institutionen ihr Leben einer dem Humanismus, dem Pazifismus und einer gerechten und demokratischen Völkergemeinschaft verpflichteten zivilen Entwicklung gewidmet haben – teils unter Einsatz ihres Lebens. Sie werden immer noch zu selten im öffentlichen Raum gewürdigt. Wir schlagen den nahe der Sedanstraße in Hamburg-Eimsbüttel geborenen Wehrmachtsdeserteur und Friedensaktivisten Ludwig Baumann als neuen Namensgeber für die Sedanstraße vor. Er setzte sich ab den 1990er-Jahren gemeinsam mit den anderen überlebenden der von der NS-Militärjustiz verurteilten Deserteuren und „Kriegsverrätern“ für die offizielle Rehabilitierung ein – schließlich erfolgreich. Er ist maßgeblich verantwortlich für die Errichtung des Deserteurdenkmals am Dammtorbahnhof – und dafür, dass der Deutsche Bundestag 2002 bzw. 2009 die „Vorstrafen“ aus den Akten der noch überlebenden Wehrmachtsdeserteure strich.
„Es ist doch ein Wahnsinn: Wenn ich einen Menschen umbringe, bin ich ein Mörder, und wenn mir das befohlen wird, bin ich ein Held und bekomme einen Orden. Sich dem zu verweigern, sich niemals mehr von denen da oben dazu missbrauchen zu lassen, Menschen anderer Völker und sich selber umzubringen – das ist auch heute eine Hoffnung für das Leben und für den Frieden.“
(Ludwig Baumann: Rede zum internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer, 15. Mai 2001, Gedenkstätte Buchenwald)
Anlässlich seines 100. Geburtstages am 13.12.2021 wurde durch die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V. die Ausstellung „Kriegsverrat ist Friedenstat!“ über Ludwig Baumann erstellt. Wir laden alle Interessierten ein, Ludwig Baumann und seine eindrucksvolle Friedensarbeit kennenzulernen.