Unser Mitstreiter Ralf Peters ist am 18.12.2022 mit nur 68 Jahren viel zu früh verstorben. Ralf war im Winter 2019/2020 Mit-Initiator der Initiative zur Umbenennung der Sedanstraße und wurde uns durch die intensive Zusammenarbeit schnell zu einem wichtigen Freund und Mitstreiter.
Gemeinsam meisterten wir die Herausforderung der Corona-Pandemie und die in ihrer Folge verhängten schweren Einschränkungen auch der Friedensbewegung durch das Verbot von Zusammenkünften und insbesondere das vollständige Verbot der Ostermärsche kurz nach Gründung der Initiative im April 2020. Dabei sahen wir angesichts einem offensiver auftretenden Militarismus (gemeinsam diskutierten wir die Rede der damaligen Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer in der Führungsakademie der Bundeswehr) und entgegen dem „Corona-Patriotismus“, in dem Staaten einander medizinisches Hilfsmaterial vor der Nase wegkauften, um so stärker das Erfordernis, gegen die Einschränkung des öffentlichen Debattenraumes und den Zerfall in Meinungsblasen für ein aufgeklärtes Geschichtsbewusstsein zu wirken.
Für die kontroversen Debatten innerhalb der Umbenennungs-Initiative war Ralf eine gewichtige Stimme. Der Ukraine-Krieg und die folgende Kehrtwende im Selbstverständnis der deutschen Außenpolitik war eine große Herausforderung für alle progressiven Bündnisse. Wir haben intensiv und engagiert diskutiert, wobei Ralf stets dafür sorgte, dass heikle Punkte nicht einfach umgangen, sondern erörtert wurden. An der vertieften Auseinandersetzung, in denen Ralf häufig auf Philosophen, politische Theoretiker, kritische Denker und Schriftsteller wie Zola und Heine, Marx und Engels (ein wichtiges Anliegen bei der Umbenennung der Sedanstraße war ihm das In-die-Erinnerung-Zurückholen der mit Unterstützung der deutschen Besatzer durch französische Truppen niedergeschlagenen Pariser Commune) zurückgriff, hatte nicht nur er Freude. Politische Gestaltung und gesellschaftliche Auseinandersetzung als das eigentlich Menschliche standen im Mittelpunkt unserer Arbeit.
Besonders beeindruckend war Ralfs Mut und Offenheit. Von Anfang des Krieges an bezeichnete er sich, den Wehrdienstverweigerer mit DKP-Geschichte, als Pazifisten. Er wich vor der „Lumpenpazifismus“-Hetze nicht zurück und brachte seine anti-imperialistische Analyse und seine Überzeugung von der Gewaltfreiheit in eine Einheit. Auch bei unseren Besuchen in der Bezirksversammlung konnten wir sicher sein, dass Ralf sich nicht hinter den sprichwörtlichen Debatten um das Straßenbegleitgrün versteckte, sondern den Geschichtsrevisionismus von der rechten Seite des Parlaments argumentativ widerlegte.
Ralfs nonkonforme und menschenfreundliche Offenheit beförderte entgegen aller Hürden gerade im letzten Jahr eine Erweiterung des Bündnisses. Ralfs klares Nein zum Krieg war auch für andere Stütze und Bezugspunkt, die eigene Kriegsgegnerschaft neu zu fassen. In seinem Gedicht Rückenlehne für Sozialisten aus dem Band Lyrische Reise durch den (un-)poetischen Alltag von 2014 brachte Ralf jedoch auch Zweifel an der Solidarität und der Verallgemeinerbarkeit der Aufklärung zum Ausdruck. Vor allem aber können wir darin seine eigene Begeisterung von der in Literatur gegossenen Menschheitsgeschichte als Quelle von heutiger Konfliktfähigkeit und Entwicklung lesen:
Rückenlehne für Sozialisten aus der Sicht eines Buches
Ich steh in Zentimeterstärke
In einem Buchschrank, and’re Werke
steh’n mir zur Rechten wie zur Linken –
mitunter sehr, sehr dicke Schinken.
So hab‘ ich hier an jeder Seite
Papierne Wesen und zwar gescheite.
Und solcherart wird es uns glücken:
Wir stehen da – Rücken an Rücken!
So manches Buch hat sich getrollt,
das erst hat zwischen uns gewollt.
Sind Bücher nur – doch eine Front
und noch dazu geschlossen,
wie es im Leben nicht gekonnt
oft haben die Genossen.
Für die Fortführung von Ralfs Erbe und die stetige Erarbeitung solidarischer Kultur können wir nicht zuletzt aus seiner Befürwortung französischer Lebensfreude – in Einheit von Geist und Tat, Aufklärung und sozialer Entwicklung – lernen. Für wie viele er damit bereits Bezugspunkt war, kam in den sehr persönlichen und sorgfältigen Beiträgen und der großen Anzahl der Gäste bei Ralfs Gedenkfeier Ende Januar zum Ausdruck.
Wir werden sein Erbe fortführen und ihn in unserer Erinnerung lebendig halten.