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Leserbrief von Ludwig Müller und Alfons Raith zu: „’Entwertende Feindbilder‘: Wird die Sedanstraße umbenannt?“

[Stand: 14.02.2023]

Veröffentlichte Leserbrief zu: „’Entwertende Feindbilder‘: Wird die Sedanstraße umbenannt?“ vom 11. Februar 2023 im Hamburger Abendblatt

 

Sedan ist nicht bekannt

11./12. Februar: „Wird die Sedanstraße umbenannt? Vorstoß einer Initiative wird von Linken und Grünen unterstützt. Straße soll den Namen eines Deserteurs tragen“

Ich war etwa 20 Jahre beruflich in der Sedanstraße tätig. An den Hintergrund des Namens „Sedan“ hat dort niemand gedacht. Erst jetzt wurde mir und anderen das bewusst. Die Schlachten um Sedan sind deutsche und europäische Geschichte. Das sollte nicht ausgelöscht werden. Es wäre damit auch nichts erreicht. Sinnvoll wäre allenfalls eine deutliche und ausführliche Erklärungstafel o. ä. Und – gibt es in dieser gewalttätigen Welt nichts Wichtigeres zu tun? Gegen jede Gewalt, heute und immer.

Ludwig Müller

 

Das Ende eines Krieges

Hoffentlich befreit uns Matthias Iken mit einer seiner Glossen von den übermotivierten Fantasten, die, mit einer Historikerin als Munitionslieferantin, ungeliebte Straßennamen, die langjährige geschichtliche Marken sind, beseitigen wollen. Da wird ein französischer Bürgermeister mit seinem Psychogerede angeführt, der traumatisiert sei, weil er den Namen seiner Heimatstadt auf deutschen Straßenschildern lesen muss. Der französische Staat dagegen will uns nicht von unserem Niederlagentrauma erlösen, indem er vom Arc de Triomphe die Namen von Jena, Ulm oder Oberelchingen entfernt. Die Erinnerung an Sedan steht überhaupt nicht für entwertende Feindbilder, sondern für das vorläufige Ende des letzten durch Napoleon III. mutwillig angezettelten Krieges und den Ausgangspunkt der Reichsgründung. Heute wissen die meisten Hamburger nicht mehr, was Sedan bedeutet. Frau Meyer-Lenz teilt uns aber bestimmt noch auf einer der unvermeidlichen Acryl-Infotafeln mit, dass es für das Propagieren von Krieg als legitimem Mittel der Politik steht. 1870 hielt Napoleon III. das für legitim und wurde nach der Niederlage von Sedan „ab nach Kassel“ geschickt. Heute weiß der letzte Klippschüler aus dem Sozialkundeunterricht und aus der Neujahrsansprache des Bundespräsidenten, dass die Zeiten anders geworden sind. Deshalb können wir getrost auf die ständigen Belehrungen von Aktivisten verzichten, die uns über Straßenschilder weismachen wollen, dass Desertion per se schon eine Tugend sei, und dass ein rassistischer Mord an einem Nichteuropäer einen Straßennamen wert sei – im Gegensatz zu dem an einem Deutschen. Mal überprüfen, wie viele Kommunisten, folglich nicht lupenreine Demokraten, noch auf Straßenschildern verewigt sind (z.B. Thälmann, Ernst Henning). Vorschlag zu einer völlig neuen Straßenbenennungskonzeption: Die Friedensallee, benannt nach dem Frieden von 1871 (sie allein neutralisiert schon die „martialische“ Sedanstraße!) bekommt Seitenstraßen, die alle nach deutschen Niederlagen benannt werden, von den Falklandinseln bis Stalingrad. Ist ja alles Geschichte.

Alfons Raith